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EU-Gerichtshof bestätigt: Einstufung von Titandioxid als krebserregend war rechtswidrig

Luxemburg, 4. August 2025 – Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat die Rechtsmittel Frankreichs und der EU-Kommission zurückgewiesen. Damit bleibt die Nichtigerklärung der Einstufung von Titandioxid in bestimmten Pulverformen als karzinogener Stoff bestehen. Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf Hersteller, Importeure und Anwender von Titandioxid in der EU.

Hintergrund: Was ist Titandioxid?

Titandioxid (TiO₂) ist eines der weltweit am häufigsten verwendeten Weißpigmente. Es findet Anwendung in:

  • Farben und Lacken
  • Lebensmitteln und Arzneimitteln
  • Kosmetik- und Pflegeprodukten
  • Spielwaren und Kunststoffen

Im Jahr 2016 schlug die französische Behörde ANSES der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vor, Titandioxid als beim Einatmen krebserregend einzustufen. Der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der ECHA unterstützte diesen Vorschlag 2017.

CLP-Verordnung von 2019: Einstufung und Kennzeichnung

Auf Basis der RAC-Stellungnahme erließ die EU-Kommission 2019 eine Änderung der CLP-Verordnung. Diese sah vor:

  • Gefahrenkennzeichnung: „Im Verdacht, beim Menschen krebserregend zu sein“ (Kategorie 2)
  • Bedingung: Pulver mit ≥ 1 % Partikeln ≤ 10 μm aerodynamischer Durchmesser, inhalierbar
  • Folge: Anpassung von Sicherheitsdatenblättern (SDB), Etiketten und Gefahrenpiktogrammen

Diese Regelung löste zahlreiche Klagen von Herstellern und Branchenverbänden aus.

Urteil des EU-Gerichts 2022: Einstufung nichtig

Am 23. November 2022 erklärte das Gericht der Europäischen Union die Titandioxid-Einstufung für rechtswidrig. Grund:

  • Fehlerhafte wissenschaftliche Bewertung
  • Unzureichende Berücksichtigung relevanter Studienaspekte
  • Überschreitung des Beurteilungsspielraums

EuGH-Entscheidung 2025: Rechtsmittel scheitern

Frankreich und die EU-Kommission legten Rechtsmittel ein – jedoch ohne Erfolg.
Der EuGH bestätigte am 04.08.2025:

  • Die ursprüngliche Einstufung verstößt gegen EU-Recht.
  • Der RAC habe nicht alle wissenschaftlich relevanten Faktoren bewertet.
  • Eine Gefahrenkennzeichnung nach CLP erfordert belastbare und vollständige Beweise.

Folgen für die chemische Industrie

  • Keine verpflichtende Kennzeichnung von Titandioxid als krebserregend in Pulverform nach der bisherigen Definition.
  • Anpassung von Sicherheitsdatenblättern und Produktetiketten erforderlich.
  • Präzedenzfall für die wissenschaftliche Qualitätssicherung bei Stoffbewertungen in der EU.

Fazit

Der EuGH stärkt mit diesem Urteil die Bedeutung einer gründlichen wissenschaftlichen Risikobewertung im europäischen Chemikalienrecht. Für Unternehmen bedeutet dies mehr Rechtssicherheit – und für die Regulierung eine klare Botschaft: Vermutungen allein reichen nicht für eine Gefahrenkennzeichnung nach CLP-Verordnung.

Quelle: https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2025-08/cp250099de.pdf